Der Buddha – Spielverderber oder Befreier?

Alfred Weil

Verlag Beyerlein& Steinschulte 2021

Paperbach, 200 Seiten

ISBN 978-3-945224-08-3

Rezension

Eigentlich hatte Alfred Weil keine Bücher mehr schreiben wollen – und hat nun, in der „Corona-Zeit“, sein (wie ich finde) sogar bestes Buch geschrieben, dem man das 42-jährige erfolgreiche Bemühen des Autors um theoretische wie praktische Lehrnachfolge deutlich anmerkt.

Wie alle Schriften und Vorträge des gelernten Pädagogen Alfred Weil zeichnet sich Gefängnis Sinnesfreude durch einen wohldurchdachten inneren Aufbau sowie durch eine grundsätzlich enge Orientierung an den Pāli-Lehrreden des Buddha (in fremden und in eigenen Übersetzungen des Autors zitiert) aus. Während er stets das Ganze der Heilsweisung des Erwachten im Blick behält, legt Alfred Weil im Hauptteil des Buches zunächst das strukturell höchst Gefährliche der Sinnlichkeit (Pāli: kāma) offen und geht dann in zwei mit Jenseits der Sinneswünsche identisch betitelten Kapiteln auf ihre Überwindbarkeit ein. Das Schlusskapitel ist dem Ausblick auf ein Ende der Gefangenschaft im „Reich der Sinne“ gewidmet.

Als erfahrener Kenner der Lehre wartet Alfred Weil mit zahlreichen anschaulich-überzeugenden Beispielen dafür auf, wie uns kāma in unserem tagtäglichen Erleben vollbeschäftigt hält. Ein ausgesprochener „Aha!“-Effekt stellte sich bei mir angesichts seiner folgenden „Durchrechnungen“ ein: Wenn ich auf das Angebot eines großen Anbieters einginge, mir bei ihm 50 Millionen Songs herunterzuladen, müsste ich mir runde 285 Jahre lang ununterbrochen Song um Song anhören, um jeden Titel einmal ganz gehört zu haben! Oder: Eine Müsli-Firma bietet mir 566 Billiarden Möglichkeiten der Auswahl meines Lieblingsmüslis an – wollte ich nun wirklich unter allen Optionen meinen persönlichen Favoriten herausfinden, so müsste ich 1,55 Billiarden Jahre hindurch jeden Morgen ein anders kombiniertes Müsli essen! Allein diese beiden Szenarien haben mir in drastischer Weise aufgezeigt, dass ich mit den kāmā, sofern ich diese unreflektiert zum „Blendungswert“ nehme, nie an ein Ende gelangen kann.

Klar und deutlich arbeitet Alfred Weil den Ansatz des Buddha zur Überwindung der sinnlichen Erlebensweise heraus. Hierzu braucht es allererst die kompromisslose Erkenntnis meiner sinnlich orientierten Lebenssituation als eines „Auslaufmodells“ sowie meine rechte Absicht, die aber aus meiner rechten Ansicht ohnehin „organisch“ erwächst. Rein weltlich betrachtet erscheint dieser Ansatz paradox: Ein jedes Weniger an sinnlichen Gefühlen bedeutet automatisch ein Mehr an Wohl für mich. Alfred Weil führt uns in seinem neuen Buch eindrücklich vor Augen, wie wir unseren existenziellen „Kinderschuhen“, den sinnlichen Gefühlen, „entwachsen“ und auf diesem Gebiet mit Hilfe der Lehre „erwachsen werden“ können.

Mathias Weber

Erschienen in „Buddhismus aktuell“ – Nr. 3/2021 – S. 68 und Theravadanetz Newsletter 10.08.2021


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