Rezensionen 

 

Alfred Weil 

Morgenröte und heller Tag

Die vier befreienden Wahrheiten des Buddha

Stammbach/Herrnschrot 2006
Verlag Beyerlein & Steinschulte
366 Seiten
ISBN 3-931095-61-4
22,00 €

 

Ursache & Wirkung

Jeder, der sich mit der Lehre Buddhas befasst, kennt die vier befreienden (edlen) Wahrheiten, die ihren Kern darstellen. Diese durchdringend zu erkennen, zu verwirklichen, ist allerdings eine andere Sache. Alfred Weil, ausgewiesener Kenner insbesondere der Lehrreden des Buddha in der Pali-Überlieferung, zeichnet den Weg dorthin klar und sehr differenziert nach, gestützt auf uns vertraute, relativ breit vergegenwärtigte Lebenserfahrungen sowie auf die Worte des Buddha, die am jeweiligen Kapitelende in Zitaten übersichtlich zusammengestellt sind. Fünf Etappen, spirituelle Praxisfelder, gilt es zu meistern. Erst nach vier vorbereitenden Lehren werden die vier Wahrheiten zur Kuppel dieses Lehrgebäudes. Am Anfang, so führte es der Buddha vor, steht die Entfaltung des großzügigen Gebens, dann folgen die Läuterung des Herzens auf der Basis der fünf ethischen Richtlinien, die Klärung der Anschauung über Tod und Fortexistenz, die Mystik und erst dann Nirvana. Sehr konsequent arbeitet der Autor heraus, welches Wohl jeweils mit dieser vierstufigen Annäherung ans Ziel verbunden ist, wie dann aber zunehmend die Erkenntnis wachsen mag, dass diese Schritte noch nicht das Eigentliche des von Buddha gewiesenen Weges darstellen. So ist etwa eine profane von einer heilenden Ethik zu unterscheiden, die profane von der heilenden meditativen Praxis. Ausgehend von der genau genommen stets unbefriedigenden Lage, die uns zu jedweden Aktivitäten antreibt, entfaltet Alfred Weil den befreienden Weg des Buddha, dessen Einzigartigkeit er mehrfach betont und zu charakterisieren weiß. Wer die ganze Tragweite der Bemühungen auf dem langen Übungsweg realistisch in den Blick nehmen möchte, wird in dieser systematisch angelegten, gedankenreichen Darlegung den rechten Wegweiser finden.

Dagmar Doko Waskönig
Ursache & Wirkung - Nr. 57, März 2007

 

Connection

Ein schönes Buch hat Alfred Weil, langjähriger Vorsitzender und heutiger Ehrenrat der Deutschen Buddhistischen Union, da geschrieben. Zwar klingt „Morgenröte und heller Tag" im ersten Moment ein wenig arg nach Esoterik, der Untertitel „Die vier befreienden Wahrheiten des Buddha" jedoch lenkt den Blick aufs wesentliche. Dabei präsentiert der Autor die vier edlen Wahrheiten, Essenz der Lehre Buddhas, erst im zweiten Teil seines knapp 400 Seiten umfassenden Buches. Zu Beginn rüttelt Weil durchaus genüsslich an unseren heiß geliebten Vorstellungen und Illusionen. Fast im Plauderton erzählt Weil von täglichen Erfahrungen und Begebenheiten, die uns in unserer heutigen Welt so beschäftigen und stellt diese geschickt in den direkten Vergleich mit Sätzen des Buddha aus dem Palikanon, der ältesten überlieferten Quelle buddhistischen Wissens überhaupt. Fünf „vorbereitenden" Kapitel „Wunsch und Wirklichkeit", „Geben", „Karma", „Tod und Jenseits" und „Haben oder Sein" stimmen ein auf die, wie Weil es treffend ausdrückt, „Revolution des Geistes". Seine Beschreibungen berühren direkt, haben selten und wenn dann nur einen Hauch des mystischen, entrückten, beziehen sich viel mehr immer und beständig auf die „Quelle", den Buddha. Diese „Quelle" inspiriert den Autor sichtlich. Auch zu durchaus humorvoll anmutenden Ausflügen. Wenn Weil des Buddhas Schau auf seine unzähligen früheren Leben mit dem Rühren in einer Gemüsesuppe vergleicht, ist das einfach zum Schmunzeln. Mit dem Dampfhammer kommt dagegen die Erläuterung des Begriffes Karma anhand der Geschichte des jungen Brahmanen Subha, der den Buddha um Belehrungen zu dem Thema bittet. Genauso stringent der zweite Teil des Buches, die Darlegung der vier edlen Wahrheiten, die von Weil ebenso treffend erörtert werden. Eine Art „Serviceteil" gibt es am Ende von jedem der insgesamt neun Buchkapitel. Hier liest man die originalen Sätze und Texte des Buddha, auf die sich Weil immerzu bezieht. In einem „Kompakt" bringt er das vorangegangene Kapitel jeweils noch mal auf den Punkt. Das Buch ist also absolut für Einsteiger zu empfehlen. Doch auch „alte Hasen" (oder gerade die) sollten sich nicht zu schade sein, die Gedanken eines Mannes zu lesen, der sich mit tiefer Ernsthaftigkeit und Hingabe, dennoch leicht und gelöst einem schwierigen Thema widmet. Denn es sind gerade diese vier edlen Wahrheiten, die die Essenz darstellen. Damit hat Alfred Weil ja auch völlig Recht. Den einzigen Wehmutstropfen (aber vielleicht geht es auch nur dem Rezensenten so) bringt er ausgerechnet selbst in seinem persönlichen Schlusswort in das ansonsten überzeugende Werk. Aber mit persönlicher Meinung muss man ja nicht immer übereinstimmen. Dafür sind wir ja Menschen. Und nicht Erwachte.

Uwe Spille
Connection Spirit - April 2007

 

Buddhistische Monatsblätter

Der weitbekannte buddhistische Lehrer und langjährige Vorsitzende der Deutschen Buddhistischen Union, Dr. Alfred Weil, hat ein, im wahrsten Sinne, Wunder volles, Buch über die Möglichkeiten vorgelegt, welche der buddhistische Weg allen Menschen eröffnet. Ich sage, Wunder voll, weil er niemals von den Ur- Texten des Buddhismus (Pali- Kanon) abweicht und gleichzeitig diesen doch so viele neue Details abgewinnt und sie insgesamt in didaktisch großartiger Art und Weise uns Menschen dieses kalten, technokratischen Zeitalters in Beispielen aus dem Heute nahe bringt. Desweiteren ist dieses Buch ein großer Beweis dafür, dass der Buddhismus in Deutschland die nüchterne Scholastik der frühen Jahre seiner Ankunft in Europa abgelegt hat und spirituell in die Herzen seiner Anhänger der heutigen Generationen gelangt ist. Bei Alfred Weil gesellt sich zur tiefen Kenntnis der buddhistischen Schriften auch eine umfassende eigene Praxis, die dieses Buch in jedem Gedanken spüren lässt. Ein religiöses Buch im wahrsten Sinne, hilft es uns doch uns mit uns selbst und der Welt wieder (re-) zu vereinigen (-ligere). Das Ansinnen der buddhistischen Übung schlechthin.
Das Werk unterteilt sich in zwei Abschnitte, den ersten aus dem heutigen Leben und Alltag geboren, Fragen der Menschen an einen buddhistischen Lehrer und Beobachtungen, die dieser bei den Menschen und ihrem Sein in der Welt hier und jetzt macht. Der zweite Abschnitt ist „katechetischer" Natur, wobei der Autor die Aussagen des historischen Buddha in einer modernen Sprache mit den Beispielen aus den Schriften wie auch heutigen Fragestellungen und Geschehnissen unterlegt. In beiden Teilen geht er dabei pädagogisch sehr geschickt so vor, dass er zunächst die Beispiele aus dem Leben nimmt, diese dann erläutert und seine buddhistische Erklärungen dazugibt und diese mit Beispielen Buddhas und dessen Erläuterungen anreichert. Danach kommt in jedem Kapitel ein erster Anhang, in dem Originalzitate in der der heutigen Zeit adäquaten Übersetzungen aus dem Pali- Kanon zu der entsprechenden Thematik, gebracht werde. In einem zweiten Anhang jedes Kapitels fasst der
Autor dann den Inhalt noch einmal kompakt zusammen. Auf diese Weise wird eine einmalige Nachhaltigkeit erzielt und gleichzeitig eignet sich das Werk so auch als Nachschlagewerk und auch Brevier für jeden Tag. Man kann in die umfassende Version gehen, in Buddhas Wort zu dem Thema, oder in die Zusammenfassung- für die „schnelle" morgendliche Ausrichtung auf den neuen Tag, als Einstimmung vor der Andacht bzw. Meditation oder auch als Hilfe vor einem wichtigen oder schweren Gespräch.
Besonders im ersten Teil wird auch der Nicht- Buddhist dort abgeholt, wo er gerade mit seinen Fragen, seiner Ratlosigkeit oder Traurigkeit steht. Hier werden Egoismus und Materialismus angesprochen, Überphänomene unserer Zeit, welche uns nur kurz zur Zufriedenheit führen und dann doch klammes unglücklich Sein auslösen. Das Zusammenleben, die Arbeit, sogar in Familie und Freizeit- immer wollen wir etwas mehr und etwas besonderes sein - treten nach unten und rudern nach oben, verschleißen uns und brennen aus. Und ahnen doch immer, dass es auch anders geht. Das wirklich Schöne an dem Buch ist, dass es diese Subtilität immer wieder aufs Neue ins Spiel bringt, irgendwo- in unserem Herzen- wissen wir es, und wissen auch, wie es anders gehen kann. Genau an diesem Punkt erhalten wir durch den Text gut begründete Aufmunterung und Bestärkung. Erhellend finde ich auch, dass Alfred Weil einer Frage nicht aus dem Wege geht, die der westliche (bes. Theravada-) Buddhismus bisher eher gemieden hat, mit der der Shakyamuni- Buddha aber zu seiner Zeit vollkommen zwanglos umgegangen ist; der Frage nach Göttern, Geistern. Höllen und auch den Fragen nach Wiedergeburten, eigenen Vorleben und persönlichem Karma. Fast ebenso undogmatisch geht hiermit auch der Autor um. Er geht hierbei von der ( bei vielen von uns) gesellschaftlich bedingt, reduzierten, ja degradierten, Fähigkeit der Sinne aus ( aus denen Re- ligion ja lebt, weil der Re- ligiöse ja gerade mehr von der Welt erfasst, als der materiell Abgestumpfte), die wir freilegen können, um dann die genannten Phänomene zu erspüren. Es geht hier nicht um Hollywood- Geister oder Höllen monotheistischer Lehren, sondern um die Geister, die uns in ihren Süchten nach heute Diesem , morgen Jenem umgeben und die Höllen, die sogar schon zu uns gekommen sind, nicht erst seit Hitler und Sadam. Ihre Entstehung und Fortsetzung können sie in Vorzeiten gehabt haben und weiter fortexistieren, auch in anderen Dimensionen (die Physik kennt heute viel mehr als die aus Schulbüchern gelernten vier). Auch der neueren Physik nach hat jedes Ereignis, jedes Ding, jedes Lebewesen, eine „Erinnerungs- Info", die außen auf das Raum- Zeit- (+ XX) Kontinuum projiziert ist. Darüber lassen sich vielleicht Vorleben einmal dokumentieren. Buddha und anderen Meistern hat es gereicht, diese einfach vor dem geistigen Auge gesehen zu haben, weil sie hierzu wegen ihrer unverblendeten Sichtweise Zugang hatten; und auch, wohin Karma führt, nämlich ganz einfach in eine „adäquate" Wiedergeburt. Wiedergeburt nicht als Person sondern als Karma. Auch wir gehen einen ähnlichen Weg, den wir erspüren können, sofern wir uns einlassen. Aber die gute Botschaft ist, dass Karma ja nicht einfach ein „Negativkonto" ist. Es wird dir mit auf den Weg in dieses Leben gegeben, und: Du kannst es in diesem Leben zum Ende bringen und über das Erwachen durch den Buddhaweg Nirvana / Erleuchtung erhalten. Sogar du !
Der zweite Teil ist mit „Revolution des Geistes" überschrieben. Die Hilfestellungen und auch Weisungen werden prägnanter und, bezogen auf die Überlieferungen, noch authentischer. Sie gehen „unter die Haut" und zielen wohl mehr auf diejenigen, welche bereits Übende auf dem Weg sind. Hier werden die Entstehung alles Leidens und die Möglichkeiten zu seiner Überwindung dargelegt.
Achtfache Hohe Pfad wird dargestellt und aus der Erfahrung des Autors und Lehrers sehr tiefgreifend und mit Ratschlägen erläutert. „Reise zum jenseitigen Ufer"- für den Menschen der „Aufklärung" ein „logischer" , physischer Abbruch, wird hier ganz in seit Äonen schon (vor-) buddhistischer Erfahrung als Aufbruch beschrieben, aber auch als Abbruch, weil man - noch in diesem Leben- viele liebgewonnene Gewohnheiten aufgeben muss, um DIE große Reise anzutreten; jetzt, hier, sofort! Beginne mit deinen Übungen. Schiebe es nicht mehr auf die lange Bank, wie du es vielleicht schon länger vorher getan hast. Übe die Glieder des achtfachen Pfades, öffne dein Herz und gib etwas von deinem Überfluss ab, rede nicht mehr schlecht über Kollegen (auch wenn diese geschwätzig oder faul sind), öffne deinen Geist, übe Achtsamkeit und Meditation, bei einem guten Lehrer/In. Sehr einfühlsam beschreibt der Autor die positiven Wirkungen solchen Handelns aus der eigenen Erfahrung und der Beobachtung an anderen. Auch die psychologischen Momente der „Selbstheilung" werden beschrieben, wie man sich selbst sozusagen Schritt um Schritt „umprogrammieren" kann und ein neues Leben aufnimmt. Alfred Weil schlägt auch ganz praktisch und wirkungsvoll, vor, die asiatische Tradition des Uposatha- Tages in die eigene Wochenplanung aufzunehmen. Einen Tag in der Woche für die Übung des eigenen Geistes. Ein Tag ohne Fernsehen, Verabredungen, mit Meditation, wenig Sprechen, Lesen eines guten Textes, und allgemein für Übungen des Verzichts (kein Alkohol, keine Schlemmerei, kein Sex usw.). Eine großartige Selbsterfahrung steht dem bevor, der diesen Übungsweg geht.
Ein insgesamt hervorragendes Buch, das den bereits Übenden und den, der sich noch scheut, dort abholt wo er steht. Es bietet viele Möglichkeiten des Einstiegs in den buddhistischen Weg und lohnt sich für jeden zum Erwerb. Es animiert auch dazu, die Vielzahl schöner Gedanken, Beispiele, Gleichnisse in sich aufzunehmen und auch an andere weiterzugeben. Es macht Mut und gibt Freude, gerade wenn man wieder einmal in eine kleine Krise gerät, kann man es aufschlagen, tief durchatmen und trifft auf alle Weisheit Asiens, über tausende von Jahren entstanden, und in den Lehren des Buddhas kondensiert.
Das Schlusskapitel ist, gerade die Schulen des Buddhismus betreffend, leider zu knapp geraten. Manchmal hat der Autor auch der Praxis den Vorzug vor der Theorie gegeben. Begriffe wie Dualismus und Leerheit werden angerissen und finden ihren Ausgang im Nirvana als Endpunkt, einem Leben in Gleichmut und vollkommener Weisheit im Denken und Handeln. Aber diese Diskussion hätte das vorliegende Werk nicht nur gesprengt. Das Buch gibt auch dem philosophisch Interessierten genug Anregungen, an diesem oder jenen Punkt in die frühbuddhistische Originalliteratur bzw. spätere Sutren und Darlegungen zu gehen, die, ausgehend von den Urtexten, schon im Indien vor ca. 2000 Jahren, eine erste Blüte (z.B. Madhyamaka) hatten.

Dr. Holger Stienen (Korin)
Buddhistische Monatsblätter - Nr. 2/2007

 

Buddhismus aktuell

Als Schüler von Paul Debes bezieht Alfred Weil sein Verständnis der Lehre wesentlich aus den im Pali-Kanon überlieferten Lehrreden des Buddha, eine Tatsache, auf die er an mehreren Stellen seines neuen Buches Morgenröte und heller Tag - Die vier befreienden Wahrheiten des Buddha ausdrücklich hinweist. Schon der Haupttitel des Buches ist Programm, indem er auf ein berühmtes Gleichnis aus A X, 121 anspielt. Hier vergleicht der Buddha die heilende rechte Anschauung, das erste Glied seines edlen achtfältigen Heilsweges, mit der Morgenröte: Wie diese das erste - dabei verlässliche - Anzeichen des Sonnenaufgangs sei, so gehe die heilende rechte Anschauung einer schließlich von allem Leiden befreienden Heilsentwicklung voran. Da die heilende rechte Anschauung in der Erkenntnis der „vier befreienden Wahrheiten des Buddha" gipfelt, schließen diese im Untertitel des Buches folgerichtig den Kreis.
Alfred Weils Buch behandelt ein wichtiges fünfstufiges Erklärungsschema, mit dem der Buddha Gotama selbst zahlreiche Laien in seine Lehre einführte. Dieses Schema ist in den einschlägigen Lehrreden (u.a. M 56, M 91 und D 3) jedoch nicht ausführlich, sondern nur in einer formelhaften Wendung überliefert: Der Erwachte führte den ihm zur Seite sitzenden Hausner oder brahmanischen Priester „allmählich in das Gespräch ein, sprach erst mit ihm vom Geben, von der Tugend, von seliger Welt, machte des Begehrens Elend, Ungemach, Trübsal, und der Entsagung Vorzüglichkeit offenbar." Sobald der Buddha merkte, dass sein Zuhörer „im Herzen bereitsam, geschmeidig, unbehindert, aufgerichtet, heiter geworden war, da gab er die Darlegung jener Lehre, die den Erwachten eigentümlich ist: das Leiden, die Entwicklung, die Auflösung, den Weg" (Übersetzung KEN). Diese beiden Sätze enthalten in nuce die offenbar pädagogisch bewährte Art der Darlegung, mit welcher der Buddha seinen Zuhörer unmittelbar zum Kern seiner Lehre zu leiten pflegte. Ihre fünf Stufen lassen einen fortschreitenden, geistig immer höher führenden existenziellen Anspruch erkennen. Es ist anzunehmen, dass der Buddha das Grundschema seiner Darlegung dem Gesprächspartner und der Situation individuell anpasste.
In seinem Buch entfaltet Alfred Weil die fünfstufige Lehreinführung des Meisters ausführlich für den heutigen westlichen Menschen. Dabei macht er von Beginn an deutlich, dass sich die ersten vier Stufen dieses spirituellen "Lehrgangs" auch in anderen religiösen Traditionen finden. Allein die fünfte Stufe, auf der schließlich von den vier befreienden Wahrheiten und von Nirvana die Rede ist, stellt für Alfred Weil das eigentlich Buddhistische am Dharma dar. Die grundsätzliche Unterscheidung der „Kernlehre" der Erwachten von „allgemein-religiösen" Inhalten und Praktiken spiegelt sich in einer Zweiteilung seines Buches wider. So erläutert Alfred Weil im ersten Teil  im Anschluss an ein generell in sein Thema einführendes Kapitel  unter der Überschrift Neue Horizonte die vier vorbereitenden Lehren des Buddha im einzelnen:

  1. Geben/Großzügigkeit (dana)
  2. Tugendliches Verhalten (sila) Anhand dieser beiden grundlegenden Übungen kann der Praktizierende die Wirksamkeit des Karma-Gesetzes bereits im Diesseits erfahren und seine Heilsentwicklung einleiten.
  3. Götterwelten/Jenseits (sagga, von KEN mit „seliger Welt" übersetzt): Mit seinem Verweis auf göttliche Daseinsformen macht der Buddha auf die transzendente Wirksamkeit des Karma-Gesetzes aufmerksam, das auch nach dem Tode weiter Gültigkeit hat: Existenz beschränkt sich nicht auf dieses eine, gegenwärtige Leben. Das mag für den Übenden Ansporn sein, sich durch im Diesseits gepflegte Tugend und hohe Herzensart als karmische „Belohnung" göttliches Erleben im Jenseits zu erwirken.
  4. Entwöhnung von Sinnenlust/Entsagung (nekkhamma): Hierbei geht es für den Nachfolger zunächst einmal um die Entdeckung, dass es ein „Wohl jenseits der Sinnendinge" dieser Welt tatsächlich gibt. Die höchste Form nicht-sinnlichen Erlebens, die „weltbefreite Bewusstseinsweise (jhana)", hat in den Meditationspraktiken der christlichen Mystiker des Mittelalters ein westliches Äquivalent. Auf diesem hohen spirituellen Niveau bedeutet nekkhamma den „Himmel schon im Diesseits".

Den zweiten, Revolution des Geistes überschriebenen Teil seines Buches hat Alfred Weil der Entfaltung der vier heilenden Wahrheiten - cattari ariya saccani - des Buddha vorbehalten. Hier werden die vier „Basislehren" des ersten Teils konsequent als „nur" auf das höchste Ziel - nibbana - vorbereitende, für dessen Erreichung allerdings unverzichtbare „Etappenziele" verstanden. Denn, Zitat Alfred Weil: „Weil ihm der Makel der Vergänglichkeit anhaftet, lohnt sich nicht einmal der ‚Himmel' wirklich!" Auf der fünften Stufe des spirituellen „Trainingsprogramms" geht es zuletzt um die Vollendung der heilenden rechten Anschauung, um die existenzielle Verwirklichung der vier von Leiden und Unzulänglichkeit befreienden Wahrheiten. Erst diese fünfte Stufe bringe, so der Autor, „eine endgültige Antwort auf alle existenziellen Fragen". Zur Beschreibung, besser: Umschreibung dieser Antwort greift er schließlich das Bild aus dem Titel seines Buches wieder auf: „Werden die Regenwolken vom Wind weggeblasen, dann kommt der blaue Himmel dahinter wie selbstverständlich zum Vorschein" - es ist heller Tag.
Indem er die klassische Laien-Einführung des Buddha nachvollzieht, gibt Alfred Weil seinen Anspruch kund, den Leser mit der ganzen Lehre bekannt zu machen - und das auf knapp 350 eher kleinformatigen Seiten. Diesen denkbar hohen Anspruch löst seine Konzeption überzeugend ein. Ein augenfälliger Vorzug der Darstellung ist der weitgehende Verzicht des Autors auf eine „Vermengung" seines Kommentars mit Zitaten aus dem Pali-Kanon. In separaten Abschnitten trägt Alfred Weil zunächst seine Lehrauslegung mit eigenen Worten vor. Erst am Ende eines jeden Kapitels lässt er unter der Überschrift Wie es der Buddha sagt den Erwachten in ausgewählten Passagen zum Thema sprechen. Den Abschnitten mit Zitaten - vom Autor selbst aus dem Pali übersetzt - folgen schließlich unter dem Titel Kompakt kurze Zusammenfassungen der vorausgegangenen Kapitel: eine gute Gedächtnisstütze und Orientierungshilfe für den Leser. Schön anschaulich sind die meist autobiographischen Epigramme, „Momentaufnahmen" aus dem Leben, die Alfred Weil den einzelnen Kapiteln vorangestellt hat. Aus der kompakten Anlage seines Buches folgt allerdings - als unvermeidbare Folge eben dieser Konzeption - ein gewisser Mangel an Raum für die Vertiefung so manchen Themas, für das der Autor das Interesse des Lesers weckt und zu dem dieser gerne noch mehr bzw. Genaueres erfahren hätte. Dazu gehören die vier möglichen Ansatzpunkte des Nachfolgers für seinen geplanten „Einstieg in den Ausstieg" aus dem Samsara, beschrieben unter Die Wurzeln abschneiden, S. 293ff.
Inhaltliche Schwerpunkte sind für Alfred Weil von der „Kernbotschaft des Erwachten" vorgegeben: „Die Welt spiegelt nur die Qualität meiner eigenen Gedanken und Handlungen", sie ist nicht „‚an sich' so [...], wie sie sich zeigt". Daher seien gerade für den westlichen Lehrnachfolger die anfänglichen „spirituellen Lockerungsübungen", also die Entwicklung einer großzügigen Geisteshaltung (dana) sowie die Eingewöhnung in die Tugenden (sila), als vorrangig anzusehen: Sie nämlich deckten die geistige Qualität von „Welt" überhaupt erst auf. Kurz und bündig erklärt Alfred Weil den grundlegenden Sinn der Tugendübung zunächst aus Sicht des Nachfolgers selbst: „Meine Energie und meine Aufmerksamkeit stehen für meine innere Entwicklung zur Verfügung und werden nicht von nutzlosen Reibereien oder ernsten Auseinandersetzungen aufgezehrt". Aber auch aus Sicht der Mitwesen hat tugendliches Verhalten einen unermesslichen Wert: „Welche ungeheuere Entlastung bedeutet es doch, einem Menschen zu begegnen, bei dem wir nicht zu befürchten brauchen, durch ihn in irgendeiner Weise Schaden zu nehmen". Und schließlich führt die geistig und emotional bejahte Tugendübung auch zu einer wesensmäßigen Transformation des Übenden: „Moralisches Handeln hat dann etwas Natürliches und Selbstverständliches. Es geschieht nicht aus Zwang oder aus Kalkül. Man tut, was zu tun ist und weil es zu tun ist". Mit der eigenen Haltung zur erlebten Welt verändert sich diese selbst und gewährt mehr Zufriedenheit und Glück: „Ethik bedeutet weniger haben wollen und mehr sein können".
Im zweiten Teil seines Buches hebt Alfred Weil als eine der zentralen Übungen die Durchschauung der „fünf Gruppen des Ergreifens" (panc'upadana-khandha) hervor. Die Meditation über diese fünf „Bausteine der Existenz" spielt in seinem Lehrverständnis offenkundig eine Schlüsselrolle. So bezeichnet er die Aufdeckung der Funktionsweise der khandha als „eine der Großtaten des Buddha" und betont: „Den Dhamma verstehen heißt sich die Brüchigkeit und die Hohlheit dieser übermächtigen Fünf zu vergegenwärtigen".
Abschließend sei kurz auf sprachliche und stilistische Aspekte der Darstellung eingegangen. Alfred Weils Vortrag besticht über weite Strecken mit gelungenen Formulierungen und einprägsamer Bildlichkeit. Als Beispiele bieten sich hier sein humorvoller Vergleich des Samsara mit einer Gemüsesuppe oder die modern anmutende Metapher der „Endlosschleife" an. Manche Wendung allerdings mag der Leser als unangemessen salopp empfinden - eine Möglichkeit, die der Autor einmal selbst einräumt, als er Frauenhandel, Korruption und Wirtschaftskriminalität für „nicht mit Nirvana kompatibel" hält. Einen ähnlichen Stilbruch stellt der Ausdruck „Highlights und Tiefpunkte" dar, wenn er die Rückerinnerung des Buddha an seine früheren Daseinsformen beschreiben soll. Die Übersetzungen Alfred Weils aus dem Pali glänzen generell durch große Anschaulichkeit, gerade bei schwierigen Schlüsselbegriffen wie z.B. vinnana, das er als „weitgehend unbewusste Eigendynamik der Bewusstseinsprozesse", als „Aktivitätsmuster" und „eine Art von Wiederholungszwang" erklärt. Solche Übersetzungen geben eine konkrete Vorstellung des Gemeinten, gerade dem des Pali unkundigen Leser. Es finden sich allerdings einige  wenige  Übersetzungen, die den Sinn der Begriffe eher verschleiern als verdeutlichen: So differenziert der Autor bei der Beschreibung der vier Meditationsobjekte des Satipatthana zwischen „Gefühlen" und „Emotionen", eine Unterscheidung, die einem mit dieser Übung nicht Vertrauten wohl unverständlich bleibt.
In einem Interview der Lotusblätter (Nr. 3/2000) gab Alfred Weil auf die Frage, welches seine guten Eigenschaften seien, zur Antwort: „Dass ich das Ganze sehen und Dinge verständlich machen kann". Wer ihn einmal „live" in einem Vortrag oder in einem Seminar erlebt hat, wird die große Stärke dieses Dharma-Lehrers mit Sicherheit bestätigen: seine Begabung, dem modernen „Westler" fremde Lehrinhalte durch Bilder, Vergleiche und Fallbeispiele aus dem Alltag  dabei mit viel Humor  nahe zu bringen. Beide Fähigkeiten, nämlich zum einen das Ganze der Lehre überschauen und zum anderen deren Kernaussagen in einer zeitgemäßen Sprache anschaulich vermitteln zu können, spielt Alfred Weil in Morgenröte und heller Tag eindrucksvoll aus.

Mathias Weber
Buddhismus aktuell - Nr. 1/2007 (dort Kurzfassung)

 

Mittlerer Weg

Gleich zu Anfang des neuen Buches spürt man das Anliegen Alfred Weils, das Entscheidende und Einzigartige der Lehre des Buddha herauszukristallisieren. So wird bereits eingangs eine ihrer Besonderheiten hervorgehoben, nämlich der betonte Realitätsbezug, ein Aspekt des Undogmatischen. Denn dem Buddha „galt die erfahrbare Wirklichkeit des Daseins als oberste und entscheidende Instanz. Die Dinge zu sehen, wie sie sind, darum geht es." (S. 14)
In überzeugender Klarheit stellt der Autor, DBU-Ehrenrat und ausgewiesener Kenner insbesondere der Lehrreden des Buddha aus dem Pali-Kanon, nunmehr den Übungsweg in seiner Gänze vor. Völlig transparent wird hier auseinandergelegt, dass die jedem Buddhisten bekannten Vier edlen Wahrheiten, der unveräußerliche Kern der Buddha-Lehre, sozusagen erst die Kuppel des ganzen Lehrgebäudes darstellen. Bevor diese ebenso einleuchtenden wie schwierig zu verwirklichenden Wahrheiten angemessen und tief durchschaut werden können, sind zunächst vier Pfeiler aufzustellen, vier Etappen und Praxisfelder auf dem Weg der Läuterung des Herzens zu entfalten. Deren eingehende Darlegung nimmt ganze zwei Drittel des Buchumfanges ein. Gemeint sind die Übung des Gebens, das ethische Verhalten, die Frage nach Tod und Fortexistenz sowie die „Mystik" (weit gehende meditative Erfahrungen).
Die Gestuftheit des Weges kommt so in gebührender Deutlichkeit in den Blick. Jene vier vorbereitenden Stufen, angefangen mit der Gebefreudigkeit als äußerem wie innerem Geschehen, werden in ihrem relativen, gleichwohl notwendigen Stellenwert innerhalb der Übungsentfaltung bestimmt. Jeden Schritt weiß der Autor gedankenreich auseinander zu legen, gestützt ebenso auf zahlreiche Beispiele des alltäglichen Erfahrens, konkrete Übungshinweise sowie die tiefgründige Analyse. Trotz seines letztlich vorbereitenden Charakters ist jeder dieser Schritte - so finden wir hier betont - mit zunehmendem Wohl verbunden. Unter dem Stichwort „Logik des Gebens" ist daher z.B. zu lesen: „Wer Gewähren in die Welt bringt, wird selbst die Welt zwangsläufig von ihrer gewährenden Seite kennen lernen." (S.32)
Zugeständnisse im Sinne einer Hinneigung zu Wellness-nahen Argumentationen sind von Alfred Weil nicht zu erwarten. Vielmehr ist er stets darauf bedacht, in jedem Punkte der Essenz der Lehre Geltung zu verschaffen. Die Fähigkeit zu scharfsichtigem Unterscheiden bewährt sich z.B. bei der Analyse einer profanen sowie einer heilenden Ethik, einer profanen sowie einer heilenden meditativen Praxis. Ein knappes Resümee sowie die Zusammenstellung von einschlägigen Zitaten aus der Pali-Literatur befördern die Übersichtlichkeit des handlich kleinformatigen und in gut lesbarem Stil verfassten Werkes.
Ein Aspekt der Lehre von Tod und Wiedergeburt sei ausdrücklich erwähnt, da sich die Sicht Alfred Weils von der manch anderer Theravada-Lehrer unterscheidet. Wie andere Autoren aus dem Kreis um Paul Debes, namentlich Hellmuth Hecker und Fritz Schäfer, nennt er als Träger des Karmas durchaus ein „jenseitiges Wesen", das nach Wiedergeburt strebe. Dies ist ein Verständnis, das viele Menschen, hört man sich einmal um, aufgrund ihrer mit dem eigenen inneren Auge gemachten Erfahrungen bestätigen können. Zu diskutieren wäre indes, dies sei am Rande angemerkt, ob die Eltern dem Kinde tatsächlich „lediglich die physische Basis zur Verfügung" stellen (S.128), oder ob nicht auch die charakterlichen Anlagen vererbt werden. Schließlich kann das Genmaterial auch weiterer Generationen zur Wirkung gelangen, was wiederum eine Frage des Karmas sein mag.
Wir müssen darauf verzichten, die Ausführungen zu den Vier edlen Wahrheiten, auf die alles hinausläuft, nachzuzeichnen. Sie erst stellen das Eigentliche des Buddha-Weges dar. Alle wesentliche Elemente der Lehre wird man hier vorgestellt sehen, angefangen von den fünf Bausteinen unseres Daseins (khandha), den Repräsentanten des durchdringenden Leidens, bis hin zu den fünf heilenden Fähigkeiten (indriya): Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Sammlung und Weisheit. In übersichtlicher Klarheit finden wir die Ursachen des Leidens (2. Wahrheit) an Hand von vier Antworten aufgegliedert: Verlangen, Unwissenheit, Gier, Hass und Blendung sowie Bedingte Entstehung, ebenso die vier Möglichkeiten, die Wurzeln des Leidens abzuschneiden. Konsequent gelangt der lange Weg der durchsichtigen Darstellung ans Ende mit den Ausführungen zu Weisheit und Befreiung, Erlösung.
Nachgestellt ist ein kurzes Kapitel, in dem der Autor einen mahnenden Ausblick auf die historische Entwicklung des Buddhismus in den verschiedenen Schulen zum Ausdruck bringt, die Probleme der „Weiterentwicklung" der Lehre, die doch von Buddha selbst bereits vollkommen und vollständig dargeboten wurde.
Wir wünschen diesem Buch eine weite Verbreitung.

Dagmar Doko Waskönig
Mittlerer Weg -Nr. 1/2007

 

 


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